Ansprache
von BundesprÀsident Samuel Schmid
zum Tag der Kranken
SF DRS, Radio DRS, 5.MĂ€rz 2005
Es gilt das gesprochene Wort!
Liebe Kranke,
liebe Angehörige,
liebe Pflegende!
wer krank ist, braucht Hoffnung.
Bedeutende Menschen haben Interessantes zum Thema Hoffnung gesagt. So der Komponist Ludwig van Beethoven: "Ich habe die Hoffnung mein Lebtag zur Nachbarin gehabt. Was sonst wÀre aus mir geworden!"
Oder die sĂŒdafrikanische Literatur-NobelpreistrĂ€gerin Nadine Gordimer: " Ich weigere mich, ohne Hoffnung zu sein."
Wir alle brauchen Hoffnung. Die Gesunden, die Kranken, ja auch jene, die spĂŒren, dass ihr Lebensweg nur noch kurz ist. Die Hoffnung verbinde ich mit Licht, mit WĂ€rme, mit Trost, auch mit Erlösung.
Diese Hoffnung ist es, die ich Ihnen zum Tag der Kranken von Herzen wĂŒnsche! Die Hoffnung, dass es besser kommt. Die Hoffnung, dass die Zeit der Schmerzen und der EinschrĂ€nkungen, der Medikamente und der Therapien vorbei geht. Die Hoffnung, dass Sie bald wieder gesund werden.
Auch jenen unter Ihnen, deren Krankheit nicht geheilt werden kann, wĂŒnsche ich Hoffnung. Die Hoffnung, dass das Leiden zumindest ertrĂ€glicher sein möge.
Oder auch, dass Sie in der Krankheit einen Sinn zu erkennen vermögen. Es beschĂ€mt - und bereichert! mich immer wieder, wenn ich erlebe, welche Lebensfreude Mitmenschen ausstrahlen können, die fĂŒr immer an den Rollstuhl oder ans Krankenbett gefesselt sind.
Sie haben die Krankheit als Teil ihres Lebens angenommen. Sie sind oft reifer und reicher als mancher Gesunde, weil sie das Wesentliche des Lebens sehen.
Hoffnung und Geduld brauchen aber auch die Angehörigen kranker Mitmenschen. Viele von ihnen engagieren sich in der Pflege ihres Partners, ihres Kindes, ihrer betagten Eltern, Schwiegereltern oder Verwandten. Mit Liebe und Hingabe, oft ĂŒber Jahre hinweg. Das braucht unglaubliche Kraft und bedeutet nicht selten grosse Belastung, Erschöpfung, Hoffnungslosigkeit.
Ich sage all diesen Angehörigen und den UngezÀhlten, die sich freiwillig in der Pflege engagieren, mit grossem Respekt: Danke!
Mein Dank geht am Tag der Kranken auch an die Pflegenden und ihre Helferinnen und Helfer. Es sind in unserem Land Zehntausende, die ihren Beruf und ihre Berufung im Pflegebereich gefunden haben. In der Spitex, in Praxen und Ambulatorien, in SpitÀlern und Heimen, in Rettungsfahrzeugen und Rettungshelikoptern.
Das geht von der Ărzteschaft ĂŒber das medizinische Fachpersonal bis zu den FachkrĂ€ften in der Administration, in der KĂŒche, in der WĂ€scherei, im Reinigungsdienst. Sie alle sind in ein vielschichtiges RĂ€derwerk eingespannt, das rund um die Uhr dafĂŒr sorgt, dass den Kranken geholfen wird.
Das Pflegepersonal braucht nicht nur fundierte fachliche Kenntnisse, es braucht auch menschliches EinfĂŒhlungsvermögen . Ich weiss, dass die gesellschaftliche Anerkennung nicht immer so hoch ist, wie es angemessen wĂ€re.
Ich bin mir auch bewusst, dass die Arbeitsbedingungen oft schwierig und belastend sind. Das hÀngt nicht zuletzt mit den knapper gewordenen Finanzen zusammen.
Auch das Pflegepersonal braucht in seiner tĂ€glichen Arbeit Hoffnung und Geduld. Gestern, heute, morgen, ĂŒber viele Jahrzehnte hinweg.
Vor 160 Jahren beispielsweise haben die Berner Diakonissinnen ihren Dienst am kranken Mitmenschen aufgenommen. Die Stiftung Diakonissenhaus Bern trĂ€gt das Krankenheim Altenberg fĂŒr betagte und langzeitkranke Menschen, von dem aus ich heute zu Ihnen spreche.
Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Der diesjÀhrige Tag der Kranken steht unter dem Thema "Fragen erleichtert das Ertragen."
Jeder kranke Mensch hat ein Recht, zu fragen. Ein Recht, Informationen zu bekommen. Diesem Recht entspricht die Pflicht des Arztes, ihm nach bestem Wissen und Gewissen zu antworten und ihn zu beraten. Beide, Patient und Arzt, wissen aber, dass nicht alle Fragen beantwortet werden können.
Patientinnen und Patienten haben das Recht, Behandlungen anzunehmen oder abzulehnen. Abe ohne vorgÀngige Information können sie diesen Entscheid nicht treffen.
Der Kranke muss also aufgeklĂ€rt werden ĂŒber die Diagnose, das Behandlungsziel, die Behandlungsrisiken, die Behandlungsalternativen und die KassenzulĂ€ssigkeit der Behandlung.
Krankheiten machen die Menschen oft einsam. In ihrer Einsamkeit verstummen sie. Und durch ihr Schweigen werden sie scheu.
Der Basler Philosoph Hans Saner sagt dazu, dass sich Einsame, Stumme und Scheue der Krankheit ausliefern. Diese sei dann doppelt schwer zu ertragen. Der Patient gerate in eine Falle.
Es ist deshalb wichtig, dass Sie sich als Patientin oder Patient etwas anderem als Ihrer Krankheit zuwenden. Dass Sie sich Ihrer Krankheit gegenĂŒber bewusst und aktiv verhalten. Dass Sie versuchen, die gesunden Seiten zu erhalten und zu fördern. Dabei helfen Ihnen die Ărztinnen und Ărzte und das Pflegepersonal.
Fragen erleichtert das Ertragen! Der griechische Dichter Euripides sagte vierhundert Jahre vor Christus: "Frage nur vernĂŒnftig, und Du hörst VernĂŒnftiges."
Die Frage kann oft stÀrker sein als die Antwort. Genau darum geht es, liebe Patientinnen und Patienten.
Ăberwinden Sie allfĂ€llige Scheu. Stellen Sie dem Doktor und dem Pflegepersonal die Fragen, die Sie bedrĂ€ngen. Wenn Sie die Gefahren Ihrer Krankheit kennen, kennen Sie auch Ihre Chancen. Daraus können Sie neue Hoffnung schöpfen. Eine Hoffnung, die zur Besserung Ihrer Lage beitragen wird.
Diese Hoffnung gibt Ihnen die innere Freiheit zurĂŒck, die Ihnen die Krankheit Ă€usserlich genommen hat.
Liebe Kranke, ich wĂŒnsche Ihnen Kraft, Mut und Hoffnung!