Vielleicht interessant für die Wittenbacher auf zooomclan.org...
Ein Artikel aus dem St.Galler Tagblatt: www.tagblatt.ch Regionen | St.Gallen | Samstag, 10. April 2004
Bild und Text: Brigitte Schmid-Gugler
Als wir uns vor Tagen begegneten, waren die auffallend grossen kräftigen Hände des jungen Mannes damit beschäftigt gewesen, eine geometrische Skizze auf ein Blatt zu zeichnen. Rafael Zünd wollte sich die Entscheidung für oder gegen ein Gespräch durch den Kopf gehen lassen. Dieser, umrahmt von vielfarbigen Rasta-Zöpfchen und geprägt von einem offenen Blick, hatte dann seine Zusage gegeben.
* Die Zöpfchen trage er nun schon seit einigen Jahren, beginnt er nun. «Du nimmst einfach so 'ne Strähne, drehst sie, ziehst die Haare dann wechselseitig aus- und ineinander und schiebst sie gegen die Wurzel. Kernseife ist nicht schlecht und danach möglichst nicht mehr waschen. Nein, es beisst nicht, man gewöhnt sich daran. Es gibt welche, die haben dann irgendwann Flöhe oder Läuse, dann kommt nur noch Abschneiden in Frage. Ich hatte noch nie solche Tierchen. Ich glaube auch nicht, dass man sie bekommt, weil man die Haare nicht wäscht.
* Ich bin ein Mensch, der es gerne ordentlich hat. Gestern zum Beispiel begann ich um halb zehn damit, die Wohnung zu putzen, die ich mit einer Kollegin teile. Das dauerte mindestens bis nachmittags um drei.» Überhaupt sei er ein ziemlich häuslicher Typ, sagt Rafael Zünd, und sehr gerne allein. Ihm sei nie langweilig zuhause; wenn andere sich die Zeit vor dem Fernseher vertreiben, nehme er seine Nähmaschine hervor und höre dazu Musik. «Ich kaufe mir günstigen Stoff und nähe beispielsweise einen Duvetanzug. Hier, diese Jacke habe ich gekürzt und geflickt, die Kapuze ist auch von mir. Alle meine Kleider flicke ich selber. Ich finde es sinnlos, kaputte Kleider einfach wegzuschmeissen.» Ihm fehle selten die Lust, etwas zu tun. Nur wenn ihn jemand - früher etwa die Mutter oder später der Lehrmeister - unter Druck setze oder ihm vorschreibe, wann und wie etwas gemacht werden sollte, dann spüre er sofort einen Widerstand in sich. Nach Abschluss der Realschule machte Rafael Zünd eine vierjährige Lehre als Metallbauer. Die ersten drei Jahre davon in einem industriell ausgerichteten Betrieb in Wittenbach, wo er aufgewachsen war, das vierte Jahr bei einem auf künstlerische Metallarbeiten spezialisierten Metallbauer in St. Gallen. «Wir machten Wendeltreppen und solche Sachen. Diese Art von Arbeiten entsprachen meiner Vorstellung von diesem Beruf schon viel besser. Am liebsten wäre mir eine eigene kleine Werkstatt. Ich hätte viele Ideen, wie man mit Metall, verbunden mit Glas oder Stein, arbeiten könnte. Ich machte auch einen Steinbildhauerkurs. Als Kind nahm ich bei einer Nachbarin, die ein Malatelier besitzt, regelmässig Malunterricht.» Für die Bilder dieser Malerin habe er jeweils die Bilderrahmen angefertigt.
* Rafael Zünd fand nach der Lehre, die er letzten Sommer abgeschlossen hatte, keine Stelle auf seinem Beruf. Deshalb bewarb er sich als Verkäufer in einem Secondhand-Laden in der Stadt. «Lieber mache ich das, als dass ich arbeitslos bin und Erwerbsersatz beziehe. Ich war stolz, dass sie damals mich auswählten für diesen 60-Prozent-Job, es hatten sich auch einige mit einer abgeschlossenen Verkäuferlehre beworben. Beim Bewerbungsgespräch wurde ich gefragt, warum ich meinte, der Richtige zu sein. Ich sagte, ich sei vielleicht nicht der Beste, aber ich wolle mir Mühe geben, die Arbeit möglichst gut zu machen. Ich war einfach ehrlich.» Leider werde der Laden demnächst wieder schliessen und er folglich wieder arbeitslos sein.
* Er finde, sagt Rafael Zünd, dass vieles falsch laufe in unserer Gesellschaft. Dabei stehe die Tatsache, dass er demnächst keine Verdienstmöglichkeit mehr haben werde, gar nicht im Vordergrund. «Aber so viele Menschen haben Vorurteile, man wird ja schon komisch angeschaut, wenn man jemandem eine Türe aufhält.» Und die Diskussionen über den Haschischkonsum in der Öffentlichkeit: er wäre für eine Legalisierung ab achtzehn, denn ein Verbot könne nichts, gar nichts verhindern. Er kenne im Übrigen kaum jemanden, der «nichts» nehme. Etwa mit fünfzehn habe er seinen ersten Joint geraucht und sehe nichts Negatives darin, ausser vielleicht: «Früher träumte ich viel und gerne; damit ist es vorbei - keine Träume mehr.»