hmm...jetzt wo ich mir die posts nochmals durchlese seh ich, dass ich "Eure Reaktion" eigentlich nur auf mavericks aussage bezogen habe. also: sorry an alle andern, ihr dürft euch offiziell als ent-angefickt betrachten ;-).
du sprichst mir aus der seele...
ich habe kürzlich mit meinem vater darüber geredet, wieso wohl heute nicht einmal mehr einer geholfen wird, die mitten in einer fussgängerpassage vor aller leute augen vergewaltigt wird - natürlich inklusive hilfeschreien und allem, was dazugehört.
und der schluss war u.a, dass der grossteil der leute heute so entfernt von realen gefahren ist, dass jedes gefährchen sofort eine richtig lebensbedrohliche gefahr ist.
und dass die leute wohl das gefühl haben müssen, so etwas könne ja nur im fernsehen passieren, d.h. es könne nicht echt sein.
hat mich recht gefitzt als ichs gehört habe. andererseits muss man sich heute ja wundern dass nicht jemand hingelaufen ist und gefragt hat ob er auch mal darf.
Entweder sind die Leute dermassen abgestumpft, oder sie Leben in einer anderen Welt. Beides ist sehr bedenklich und kommt heute wohl häufiger vor als noch vor 50 Jahren... hm... warum wohl?
ich würd meinen: die technische entwicklung schreitet so schnell voran, dass die leute nicht mehr nachkommen.
sie werden vollgemüllt mit nachrichten, die jemandem, der alles noch lokal interpretiert, völlig überfordern.
ja, ich weiss, dass du hier sporadisch sprüche reisst - aber du hast es voll getroffen.
wenn man von berichten über morde, vergewaltigungen, raubüberfälle und kindesentfürungen nur so vollgemüllt wird, und man das alles so interpretiert, dass einem das auch jeden tag passieren könnte, interpretiert man es lokal.
wenn man versteht, dass das risiko verschwindend klein ist (mit einer gewissen vorsicht) interpretiert man es richtig.
heute traut sich ja kaum einer mehr auf die strasse, weil alle männer angst vor vergewaltigungen, alle frauen angst vor kindesentführungen und alle mörder angst vor morden haben... wenn du verstehst, was ich damit sagen will.
hingegen könnte die aufmerksamkeit problemlos mal auf die kleine pöbelei/schlägerei zwischendurch gelenkt werden - aber da die klappe aufmachen wäre ja politischer selbstmord (oder bei vielen leuten auch kompletter quatsch, je nach dem, in welcher partei man ist...).
Okay... man muss sicher richtig damit umgehen können, hängt wohl auch stark mit der Menge der ähnlichen Informationen ab. (ie. Krankenschwestern die mit der Zeit denken dass alle Menschen Krank sind...)
nein. die krankenschwestern kennen das. vielleicht sehen sie dann im alltag immer wieder kranke menschen, weil sie sich damit beschäftigen. aber sie kriegen nicht unbegründetet paranoias vor kranken.
was auch noch so ein punkt ist... die flut an informationen ohne den kontext bzw. mit übervorsichtigkeit. wie viele leute haben denn angst davor, dass sie sich mit hiv infizieren könnten, wenn sie aus dem gleichen glas trinken wie jemand anderes? ich würd mal behaupten, dass es genug solche leute gibt.
Ich wusste erst nicht, ob ich ueberhaupt auf diesen Anfick antworten soll, ich versuch es aber trotzdem, auch wenn ich jetzt schon das Gefuehl habe, das es in die Hose gehen wird.
Ich lebe auch in dieser Welt, nicht in einem Traumland, aber wohl in einem anderen Teil der Welt als du. Ich wohne nicht in einer Villa, sondern in einer schoenen, frisch renovierten 4.5 Zimmer Wohnung, die ich von meiner eigens verdienten Kohle bezahle, fuer die ich mehr oder weniger (je nach Monat) hart arbeite.
Die Wohnung befindet sich in einem Auslaenderviertel (aber keinem Ghetto), nahe der Innenstadt der Stadt St. Gallen. Bis vor kurzem habe ich bei meiner Mutter gewohnt, die eine Wohnung zwei Querstrassen weiter weg hat.
Seit ich mich erinnern kann verschliessen wir die Wohnungstuere nur, wenn wir laenger Weg sind (Sprich Ferien o.ae.). Kein einziges Problem gehabt, in der Zeit in der ich mich erinnern kann. Das sind pessimistisch gesehen 15 Jahre.
Auch wurde ich in der Zeit noch nie Zeuge einer Vergewaltigung in einer Fussgaengerpassage.
Oder war einem Bombenangriff ausgesetzt.
Oder einer Horde Soldaten die pluendernd, mordend und vergewaltigend durch die Staedte ziehen.
Klar sind mir diese Begriffe keine Fremdworte, schliesslich sieht man sowas jeden Tag im Fernsehen, Internet, Zeitung, aber selbst wirklich erlebt habe ich in dieser Richtung noch nichts.
Ich glaube zumindest, das ich meine Augen nicht vor diesen Themen verstecke. Ich kenne zwei (weibliche) Personen, welche entweder als Kind oder erst vor kurzem vergewaltigt wurden. Aber ICH habe nicht den Eindruck das sowas staendig passiert, und der Normalfall ist.
Vor ein paar Monaten geschah hier, nur ein paar Haeuser weiter (Ilgenstr. 58 oder so, ich wohne an der 19) ein Mord. Das St. Galler Tagblatt berichtete wohl taeglich ueber jede neue Einzelheit die ueber den Fall bekannt wurde, und ein paar Wochen spaeter wurde der Taeter (ihr Ex-Freund) gefasst.
Ich kann mir gut vorstellen, das in einer Metropole wie Paris oder Berlin mehr Morde passieren als in St. Gallen. Aber ich lebe nicht in einer solchen.
Ich entschuldige mich hiermit herzlichst bei dir, das ich nicht in einer Grossstadt lebe, in der Gewaltverbrechen an der Tagesordnung sind.
Danke für deine Antwort. Es ist mir klar, dass mein Post ziemlich provokativ war,d.h. aber nicht, dass ich unfähig zu einem sachlichen Dialog wäre. Ich geb mein Bestes:
Was meine Wohnsituation anbelangt, so wohne ich schon seit meiner Kindheit bei meinen Eltern. Es ist auch keine Villa, sondern ebenfalls eine relativ bescheidene Eigentumswohnung (ohne Whirlpool).
Ich hatte seit eh und jeh eine behütete Kindheit und dazumal nie Kontakt zu irgendwelcher Gewalt oder einem anderen sozialgesellschaftlichen Abgrund. Meine Eltern haben mich eigentlich immer von sämtlicher negativer Einwirkung der Aussenwelt abgeschirmt. Das Problem war jedoch, so glaub ich jetzt zu wissen, dass sie so ziemlich jede Einwirkung der Aussenwelt für negativ hielten.
Im Verlaufe der Jahre habe ich mich dann ironischerweise immer mehr speziell für dieses Thema interessiert: Abgründe. Wieso gerade dieses Interesse, weiss ich nicht genau. Möglicherweise ist es eine Art Ausbruchversuch aus dem Zuckerwattenumfeld, das meine Eltern für mich aufgebaut haben. Eine Suche nach den Kontrasten der ach so behüteten Kindheit, ein Abtasten der gesellschaftlichen Grenzen. Und eine etwas speziellere Erkenntnis, welche mir kurz vor dieser Phase widerfahren ist, hat wohl auch seinen Teil dazu beigetragen, dass mir der Weg, so wie ich ihn beschritt, geebnet wurde.
Ich hab im Laufe der Zeit viele Leute kennengelernt und einiges gesehen, was ich zuvor niemals auch nur in Gedanken bedacht hätte. Das eine nahm mich stärker mit, das andere weniger stark. Doch schlussendlich blieb in mir wohl ein ziemlicher Graben offen, den diese Erfahrungen gebuddelt haben.
Im vergangenen Jahr ist diese Suche linear angestiegen und ebenso linear wieder gefallen.
Es zieht mich zwar auch jetzt noch immer hie und da zurück, aber im Grossen und Ganzen hat sich in mir wohl doch das Gefühl ausgebreitet: "Ich hab genug gesehen."
hm....schon lustig...und das wo ich doch wahrscheinlich noch den grössten Teil meines Lebens vor mir habe...
Zu deiner Aussage zurück: Ein Ausländerviertel ist nun halt mal nicht vergleichbar mit einem richtigne Ghetto. Zudem wäre es doch ziemlich rassistisch, dies gleichzusetzten. Es sind ja schliesslich nicht alle Ausländer automatisch gewalttätig und eine Bedrohung.
Niemand verlangt von dir, dass du diese Probleme einfach so von einem Tag auf den nächsten löst. Aber man darf, wie ich finde, von jedem verlangen, dass er realisiert, dass diese Probleme existieren...und zwar auch in der pseudo-lieben, -unbescholtenen und -gewaltfreien Schweiz.
Woher die Erkenntnis kommt, spielt doch gar keine Rolle. Tatsache ist, dass solche schrecklichen Dinge tagtäglich passieren, unabhängig von Ort und gesellschaftlichem Stand.
Ich hab in den letzten Jahren so viel erlebt und gehört... schockiert bin ich schon lange nicht mehr, heute macht es mich nur noch traurig. Aber egal, wie jemand auf solche Geschichten reagiert, ich denke, wir sollten uns alle bewusst sein, dass sowas passiert.
Was mich immer wieder erstaunt ist, wie das Volk über solche Menschen urteilen kann. Sie haben doch überhaupt keine Ahnung, wie diese Personen in so schlimme Situationen geraten sind resp. was sie zu solchen Handlungen treibt. Diese Frau hat sicher schreckliches getan. Aber warum? Das fragt sich hier niemand.
Die Tochter habe aber von sich aus im Escort- Service arbeiten wollen, weil sie wohl mitbekommen habe, wie einfach und schnell dort Geld zu verdienen sei. Und Geld habe sie für Kleider und Kosmetika gebraucht.
"Ich war jung und brauchte das Geld"
ma'sich fragend, wieso sein Firmenauto auch Escort heisst'verick
vielleicht weil escort bzw. eskorte so etwas wie begleiter heisst?
begleitservice ist (sehr) beschönigend (und glaub auch etwas missbräuchlich) für liebesdienste (was natürlich auch sehr beschönigt ist).
Ich finde niemand muss sich entschuldigen dafür wenn ihn sowas schokiert. Nur weil man sich noch nicht 50x eine ähnliche Geschichte zu Gemüte geführt hat lebt man noch lange nicht in einer fiktionalen Realität.
Eine behuetete Kindheit hatte ich IMHO nicht. Meine Eltern lebten eine Zeitlang getrennt, heirateten dann kirchlich neu (waren nicht geschieden), und haben sich nun vor zwei Jahren scheiden lassen. Mein Vater war eine Zeitlang Alkoholiker (aber da war ich noch zu klein, um das 100% mitzubkommen).
Dazu kam, das ich wegen der ersten Trennung meiner Eltern eine Esstoerung entwickelt hab, die ich bisheute noch nicht wirklich in den Griff bekommen hab (vorallem weil ich zu faul bin). Dazu kommt noch das ich vom Charakter her gesehen zwar meist ein ganz netter Mensch, aber mit einem Hang zu, oehm, unangebrachten Humor. Was auch nicht ueberall gut ankommt.
Ich wuerd das aber nicht als eine ``schlechte'' Kindheit bezeichnen, sondern halt einfach eine mit ihren Hoehen und Tiefen.
Ich habe schon als Kind ab und zu Nachrichten geschaut, Zeitungen gelesen (Im Stile von: Seite 1, Seite Ende erster Bund, letzte Seite, Tagblatt). Ich wusste zwar was um mich herum passiert.
Ich kann mich noch erinnern das ich am Anfang des Jugoslawienkonflikt mal mit meiner Kindergaertnerin darueber sprechen wollte, aber die wollte auf sowas nicht naeher eingehen.
Krieg hat fuer mich trotzdem etwas naja, nicht greifbares. Ich weiss das es schlimm ist, aber es ist nicht HIER.
Klar, das Viertel in dem ich Lebe ist kein Ghetto, ich komme mit den meisten Leuten hier gut aus, und die anderen kann man meiden. Es ist aber dennoch so, das fast alle Familien mit kleinen Kindern hier wegen den Auslaendern weggezogen sind.
Ich glaube, das ich langsam verstehe was du mir ueberhaupt vorwirfst.
Meines wissens lebe ich nicht realitaetsfern. Aber gerade Dinge wie das obige, was sicher haeufiger vorkommt als es in den Medien erwaehnt wird, ist fuer mich ein Beispiel fuer 'Hier in der Schweiz passiert auch Scheisse.'.
Und deswegen finde ich solche Artikel ziemlich oehm ``krass''.
Ich bin nicht mit schlechten Eltern aufgewachsen, aber auch nicht in einer Wohlbehueteten Familie mit Windelbomber (Jaaa, das Wort musste ich unbedingt hier auch noch einbauen). Aber das eine Mutter ihr Kind in die Prostitution verkauft, um ueber die Runden zu kommen halte ich immer noch fuer 'nicht normal hier'. Was aber nicht heisst, das es nicht ab und zu vorkommt.
Ich kann mir aber gut vorstellen, das das in anderen Laendern durchaus haeufiger der Fall ist.
Ich finde das Wort "normal" ist je länger je mehr Kultureller bedeutung.
Deine Kindheit scheint wie bei vielen von uns eben "kaputt".
Nun, eigentlich müssten wir weniger Informationen aus den "läääsen" Medien sammeln und uns mehr um unser direktes Umfeld kümmern. Aber so eine Einstellung ist wohl unmöglich ohne "krassen" Umschwung zu bewirken. Schliesslich "trauen wir heute ja niemandem" mehr. Schad, aber trotzdem interessant wie kaputt sich der Mensch in den letzten Jahren so entwickelt hat.